Fünf Fragen: Thomas Gilke

Der gebürtige Münchener und studierte Kommunikationsdesigner Thomas Gilke arbeitet als freier Illustrator, Grafiker und Comiczeichner für diverse Verlage, Agenturen, Zeitschriften und Zeitungen. Für seine Anthologien und Publikationen erhielt er bereits mehrere Auszeichnungen – unter anderem für “Leroy & Dexter – 10 hoch minus 9″ (avant-verlag). Neben Posts auf gestaltungsmaschine.blogspot.de, die das gesamte Spektrum seiner Arbeit umfassen, veröffentlicht er auch regelmäßig Beiträge auf gilkistan.blogspot.de. Als Gestalter ist er unter anderem für den avant-verlag sowie Egmont Graphic Novel tätig.

Marika Tauche hat mit Thomas Gilke für graphic-novel.info ein kurzes Interview geführt. Freundlicherweise hat er sich die Zeit genommen, einige Fragen zu beantworten – vielen Dank dafür!

Warum genau machst Du eigentlich Kunst? Was treibt Dich bei deiner Arbeit an?

Lass mich in diesem Zusammenhang das Wort “Kunst” durch “Comics” ersetzen, dann reden wir über eine noch recht junge Ausdrucksform. Abgesehen davon, daß es mich schon sehr früh begeistert hat, Geschichten in Wort und Bild zu lesen, denke ich, dass nach wie vor und auch in Zukunft noch ein ungeheures Potenzial in dieser Art und Weise steckt, Lesern etwas zu erzählen. Meiner Meinung nach ist das Medium sowohl formal als auch inhaltlich bei weitem noch nicht ausgeschöpft! So gesehen treibt mich wohl Forschergeist an?

Was zeichnet Dich als Künstler aus?

Wahrscheinlich, dass ich mich nicht auf einen Stil oder eine Technik festlegen will. Man kann bestimmte Inhalte in unterschiedlichste Formen stecken: Die Bibel als Fotocomic? Eine Coming-Of-Age-Geschichte als Multiple-Choice-Story? Eine Gebrauchsanweisung als wortlose Bildgeschichte? Warum denn nicht! An letzterem versucht sich seit geraumer Zeit tatsächlich schon ein schwedisches Möbelhaus in endlosen Variationen. Ich persönlich konzentriere mich momentan auf einen sehr grafischen, sehr plakativen Stil.

Und wenn das mit der Kunst nicht geklappt hätte? Wenn Du kein Comiczeichner geworden wärst, dann wärst Du jetzt…?

… genau das, was ich auch bin: Grafiker. Das bin ich momentan sozusagen auch hauptberuflich – ich habe gerade so viel zu tun, dass ich zwar recherchiere (das kann man auch abends im Bett noch machen), aber nicht zum Umsetzen komme. Allerdings verdiene ich einen großen Teil meines Lebensunterhalts mit Comics (Kolorierung, Lettering, Gestaltung von Covern und Inhalten), so dass sich der Kreis wieder schließt. Eine ziemlich luxuriöse Situation, wenn man es bedenkt.

Hast Du ein Vorbild/ Idol unter den Künstlern der Comic- und Graphic Novel-Szene?

Ach, selbstverständlich. Viele. Soll ich mal ein paar Beispiele nennen? Stark beeindruckt haben mich Daniel Clowes, Blutch, Lars Fiske, Chester Brown und ja, natürlich auch Chris Ware. Aber vor allem auch in der jüngeren Generation gibt es etliche Kollegen, deren Output ich höchst interessiert verfolge… ich nenne da einfach mal stellvertretend Olivier Schrauwen oder auch Tommi Musturi, die mich immer wieder sehr begeistern.

Wie ist Deine Sichtweise auf die aktuelle Graphic Novel-Szene in Deutschland? Was gefällt Dir gut? Was gefällt Dir weniger gut?

Was mir gut gefällt, ist das schon lange überfällige Echo im Feuilletonbereich! Hier ist es allerdings schade, dass sich die Feuilletonisten fast ausschließlich auf die Veröffentlichungen beschränken, die unter dem Label “Graphic Novel” einsortiert werden. Auch, dass die Themen Literaturadaption und Biografien so überhand nehmen, finde ich in seiner Fülle problematisch – es wirkt fast so, als würden andere Themen von den Verlagen nicht so gerne veröffentlicht und darum in vorauseilendem Gehorsam nicht von den Autoren in Angriff genommen… aber vielleicht ist diese Sicht nur meiner stark subjektiven Wahrnehmung geschuldet. Ich arbeite nämlich ironischerweise selbst gerade an einer Biografie.

Was würdest Du jungen Künstlern raten, die gerade am Anfang ihrer Karriere stehen und im Comicbereich Fuß fassen wollen?

Sich mit anderen zusammen zu tun und erste Veröffentlichungen selbst in die Hand zu nehmen! Also der klassische Weg, den die meisten Zeichner, die jetzt verlegt werden, selbst genommen haben.

Nun ja: Wie gesagt arbeite ich gerade an einer Biografie – nämlich der von Muhammad Ali. Da habe ich mir sehr, sehr (sehr!) viel vorgenommen, zumal ich da wahnsinnig viel aussieben muss und Schwerpunkte setzen, was aus diesem ereignisreichen Leben ich denn eigentlich erzählen will. Außerdem hatte ich bisher noch nie so viel recherchiert… wann hat etwas stattgefunden,wie sah es zu dieser Zeit am Schauplatz aus, sowohl Architektur als auch Autos oder Wohnungseinrichtungen – bis hin zum Wetter, also was haben die Protagonisten getragen… und all diese Mühe soll der Leser nicht mitbekommen. Nichts ist langweiliger als eine Biografie, die dröge einen Fakt nach dem anderen erzählt und damit versucht, alles richtig zu machen. Die Seiten entstehen so allerdings nur unglaublich langsam – und ich muss mich einer buddhistischen Grundeinstellung befleißigen. Was mir nicht immer leicht fällt.